Heavy Hearts
Performance/Object, 2025
Plaster, rope
In the performance HEAVY HEARTS, I drag a 40 kg chain of pastel-colored hearts through the building. Through friction, the cast plaster sculptures change, wear down, and leave traces. Initially smooth, idealized forms become worn, marked objects.
In der Performance HEAVY HEARTS ziehe ich eine 40 kg schwere Kette aus pastellfarbenen Herzen durch die Akademie. Durch Reibung verändern sich die Gipsplastiken: sie schleifen sich ab, hinterlassen Spuren. Aus zunächst glatten, idealisierten Formen werden abgenutzte, gezeichnete Objekte.
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pictures 1, 10, 16, 17, 20: Stephanie Rössing
picture 2-9,11-15,18-19: Ilvie Schlotfeldt
pictures taken within the exhibition „What is lost and what endures, still“ by the class of Alexandra Pirici, Annual exhibition Academy of Fine Arts Munich, July 2025
Josefine Pytlik verfolgt in ihrer künstlerischen Praxis eine konsistente Form- und Materialsprache. Immer wieder greift sie auf Symboliken zurück, die gemeinhin als „romantisch“ kategorisiert würden. Dabei handelt es sich häufig um Objekte, die sich an der Schwelle zum Kitsch befinden, oder diese bereits bewusst überschreiten. Pytlik jedoch verwandelt diese Materialität in eine kämpferische, widerwillige Sprache.
Wer beim ersten Eindruck stehen bleibt, verkennt die Ambivalenz, die Pytlik in ihrer Arbeit klar artikuliert. Gerade in der Überzeichnung liegt ihre Stärke: Sie verwendet kulturell feminisierte Symbole, um sie in performative Akte der Zerstörung und Transformation zu überführen. So etwa in der Performance „Smash“, in der wächserne Kugeln mit Lippenabgüssen, gespitzt, wie sich auf einen Kuss vorbereitend, von der Künstlerin zertreten werden. Die rote Flüssigkeit im Inneren spritzt in alle Richtungen. Pytlik zeigt: Was romantisch aussieht, verlangt einen zweiten Blick.
Diese Auseinandersetzung führt sie in ihrer neuen Arbeit „Heavy Hearts“ fort. Über mehrere Monate hinweg hat sie massive Gipsherzen gefertigt, die über eine Kordel miteinander verbunden sind. Auf den ersten Blick erinnert die Skulptur an eine überdimensionale Version einer Zuckerkette aus Kindertagen. Tatsächlich ist der Arbeit eine weitere nostalgische Referenz eingeschrieben: Die Herzen ähneln jenen, die Anfang der 2000er Schulhefte und Federmappen schmückten, oft umgeben von Flügeln oder Flammen. Ein kleines nostalgisches Detail, in welchem sich der kulturelle Fokus auf Liebe als zentrales Thema weiblicher Identität spiegelt, verbunden mit Bildern von Sanftheit, Begehren und Zugehörigkeit.
Pytlik nimmt dieses visuelle Vokabular ernst, nicht im affirmativen Sinne, sondern als Ausgangspunkt für kritische Aneignung. Ihre 40 Kilogramm schwere Herzkette wird gelegentlich von ihr selbst durch und vor der Kunstakademie gezogen. Dabei schleift sich das Material ab, die Herzen verlieren ihre idealisierte Form und hinterlassen Spuren im Gebäude.
Wie für Pytliks Praxis typisch, bleibt sie nicht bei der ästhetischen Oberfläche stehen. Sie übersteigert und demontiert. Mit performativen, oft körperlich fordernden Gesten bricht sie Erwartungen auf und überrascht mit einer klaren Haltung.
In „Heavy Hearts“ verdichtet sich diese Strategie: Die Skulptur wird durch ihre Bewegung verändert. Die Wiederholung des Kraftakts führt zu einer schrittweisen Umschrift, nicht nur der Objektform, sondern auch der in ihr eingeschriebenen Bedeutungen. So wird das Herz vom sentimentalen Motiv zum Ort des Widerstands.
Carla Vollmers